Nicht bewegen. Dein Gesicht meine ich. Halte es mal kurz so wie es ist und wirf einen Blick in den Spiegel. Was ziehst du gerade für eine Miene? Ich meine das ernst. Steh kurz auf, schau dir deinen Gesichtsausdruck im Spiegel an und lies danach weiter.
Wenn du gerade zum Spiegel gelaufen bist, fragst du dich sicher was das ganze soll. Am liebsten würde ich dir jetzt sagen, ich wollte nur, dass du dich ein bisschen bewegst. Aber es gibt tatsächlich einen etwas seriöseren Grund: Jeder Einzelne von uns hat nämlich eine Reihe von gewohnheitsmäßigen Gesichtsausdrücken. Gesichtsausdrücke, die wir in unterschiedlichen Situationen automatisch zeigen, obwohl sie nicht für diese Situationen „angemessen“ sind. Bedeutet, dass beispielsweise manche von uns gelegentlich einen wütenden Gesichtsausdruck zum Besten geben, obwohl sie gar nicht wütend sind.
Na und?
Das wäre alles nicht der Rede wert, allerdings gibt es hier ein Aber. Fangen wir mal ganz von vorne an. Wie wir alle wissen beeinflussen unsere Emotionen und Stimmungen unsere Mimik. Wenn wir fröhlich sind lächeln wir, wenn wir traurig sind, ziehen wir ein langes Gesicht und so weiter. Das ist, wie gesagt, Allgemeinwissen. Was jedoch weniger bekannt ist, ist das dieser Vorgang auch in die entgegengesetzte Richtung abläuft. Unsere Stimmung beeinflusst nicht nur unseren Gesichtsausdruck, sondern unser Gesichtsausdruck beeinflusst auch unsere Stimmung. Probiere es mal aus: Wenn du dich gerade mehr oder weniger neutral fühlst, mach einmal für ein paar Minuten ein trauriges Gesicht (oder wenn du lieber Spaß hast, dann lächele stattdessen) und schau wie sich das auf deine Stimmung auswirkt. Sehr wahrscheinlich wirst du einen leichten Unterschied in Richtung Trauer (bzw. Freude) bemerken. Mit anderen Worten, unser Emotionsausdruck ist keine Einbahnstraße, sondern eine Fahrbahn mit Gegenverkehr.
Sagen wir mal Paul hat die Gewohnheit oft ängstlich zu gucken, selbst wenn er gerade eigentlich keine Angst hat. In dem Fall wird in seinem Körper trotzdem allmählich ein Gefühl der Angst erzeugt. Und da unsere Emotionen unsere Handlungen motivieren, wird Paul durch seine nun ängstlichere Stimmungslage sich weniger Dinge trauen und so sich vielversprechende Gelegenheiten durch die Lappen gehen lassen. Und nicht nur das: Emotionen, die wir regelmäßig spüren (in dem Fall Angst) werden zur Gewohnheit und so um einiges leichter ausgelöst. Das Auslösen der Emotion zieht wieder den jeweiligen Gesichtsausdruck mit sich und schon befinden wir uns in einem Teufelskreis.
Wie gesagt funktioniert das ganze auch in die andere Richtung. Hätte Paul die Gewohnheit allgemein fröhlich zu gucken, wäre er allgemein eher zuversichtlicher. Er würde daher mehr Gelegenheiten am Schopf packen und so wahrscheinlich mehr aus seinem Leben machen.
Natürlich braucht es bei ängstlichem Verhalten mehr als nur den eigenen Gesichtsausdruck zu verändern, aber es kann eine nützliche Hilfe sein.
Kommen wir nochmal zu dem Gesicht im Spiegel…
Der US-amerikanische Psychologe Paul Ekman hat sieben sogenannte Basisemotionen herausgearbeitet. Freude, Trauer, Furcht, Überraschung, Ekel, Verachtung und Wut. Er fand heraus, dass jeder dieser sieben Basisemotionen ein bestimmter Gesichtsausdruck entspricht, der kulturübergreifend erkennbar ist. Das heißt, wenn z.B. ein Japaner ängstlich guckt, dann merkt auch ein zentralafrikanischer Stammesbewohner, dass sein asiatischer Kollege gerade Angst hat. Wie ich schon in vorherigen Artikeln beschrieben habe, haben hier höchstwahrscheinlich die Spiegelneuronen ihre Finger im Spiel, mithilfe derer wir den Gefühlszustand unseres Gegenübers „erfühlen“.
Hier kommt der nächste gute Grund uns unserer gewohnten Gesichtsausdrücke bewusst zu werden: Wenn wir oft eine schräge Miene zum neutralen Spiel machen, lösen wir so ohne es zu wollen automatisch negative Emotionen bei unseren Mitmenschen aus.
Beispiel gefällig?
Ich habe bei mir entdeckt, dass ich manchmal, wenn ich angestrengt zuhöre und rede einen leicht verärgerten Gesichtsausdruck zeige. Ich bin in dem Moment zwar nicht wütend, aber je länger ich diesen Gesichtsausdruck aufrechterhalte, desto mehr wird die Emotion von Wut oder Ärger in mir ausgelöst. So werde ich mit der Zeit beim Zuhören oder Reden immer ungeduldiger und mein Gegenüber erkennt meinen wütenden Gesichtsausdruck und denkt vielleicht, er bringe mich auf die Palme.
Unser Gesicht ist nur die Spitze des Eisbergs…
Was auf die beidseitig befahrene Emotionsstraße unserer Mimik zutrifft ist auch u.a. bei unserer Körperhaltung, Gestik und Sprechtonlage der Fall. Auch sie werden durch unsere Stimmung geprägt und prägen diese genauso auch zurück. Sagen wir mal Paul hat einen Bruder, Peter. Peter hat die Angewohnheit immer etwas zusammengekrümmt dazustehen und -zusitzen und sich kleinzumachen, er hält seine Arme steif und verkrampft und redet leise. Diese Art von Körpersprache entsprechen Pauls ängstliche Miene und lösen bei Peter ebenfalls ein gewisse Ängstlichkeit und Unbehagen aus.
Auch hier gibts das ganze in der positiven Ausgabe: eine gerade, offene Körperhaltung, eine lockere und expansive Gestik sowie eine klar und deutliche Sprechlautstärke wirken sich positiv auf die eigene Stimmung aus und bringen uns daher ebenfalls Zuversicht. Es bedeutet jedoch nicht, dass man auf Diskolautstärke reden und dabei wild rumfuchteln muss, um sich selbstbewusst zu fühlen. Allerdings machen sich ein gesundes Sprechvolumen samt einer soliden manuellen Basis erfolgversprechend bei uns (und auch bei anderen) bemerkbar.
Was bringt mir jetzt das alles zu wissen?
1. Du kannst dir ein Bild von den Basisemotionen machen. (Suche: Paul Ekman Basisemotionen. Ich kann hier leider wegen den Bildrechten kein Foto davon veröffentlichen.)
Dann kannst du dir vornehmen dir mehrmals am Tag deinen Gesichtsausdruck bewusst zu machen und darauf zu achten was du gerade mit deinem Gesicht machst. Wenn es etwas anderes ist als du willst, pass deinen Gesichtsausdruck sooft an, bis er deine neue mimische Angewohnheit wird.
2. Genauso kannst du dir vornehmen den Rest deiner gewohnheitsmäßigen Körpersprache zu überprüfen und entsprechend zu verändern.
Wenn du dich mal nicht gerade im gesellschaftsfähigen Modus befindest, du es aber gerne wärst, kannst du einfach mal anfangen zu lächeln (und zwar so, dass die Augen mitlächeln) , deine Arme und Oberkörper lockern und begradigen und/oder etwas lauter und deutlicher reden. Wenn du damit hartnäckig bleibst, wirst du dich nach ein paar Minuten sehr wahrscheinlich entspannter und zuversichtlicher fühlen als zuvor.
Ein anderer Tipp, der immer gut funktioniert: beim Telefonieren lächeln. Macht einen sichtlichen Unterschied.
Mit diesen Vorschlägen meine ich natürlich nicht den Grund für Unwohlsein oder ähnliches zu ignorieren. Ein Wasserschaden im Keller lässt sich schließlich schlecht weglächeln. Dennoch sind das alles hilfreiche Werkzeuge, die deine emotionale Fahrbahn auf angenehme Weise ausbauen können. Frohes Experimentieren!
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